Die Wächterin
Seraia musste sich beeilen! Sie musste unbedingt diejenigen finden, die das Heilige Schwert aus dem Tempel gestohlen hatten. Sie war die Hüterin und nur sie würde dafür bestraft, wenn nicht sogar getötet werden.
Es war schon finster und der Wald lies kaum das Licht der Sterne auf den Boden. Für Seraia machte das nichts, sie konnte gut in der Dunkelheit sehen.
Sie lauschte. Da war doch ein Geräusch! Nicht weit von ihr entfernt müssten die Diebe sein! Die junge Frau beschleunigte ihren Gang, versuchte aber so leise wie möglich zu sein. Sie müsste die Gauner überraschen. Seraia hatte keine Ahnung, wie viele es waren.
Immer tiefer folgte sie ihnen in den Wald. Die Bäume waren beträchtlich alt, hatten riesige gefurchte Stämme und in ihren Ästen hingen Flechten herab, wie Bärte oder Haare von alten weisen Zauberern.
Die Diebe hielten hinter einem dieser knorrigen alten Bäume an und flüsterten miteinander. Seraia schlich sich leise näher heran um etwas von dem Gespräch mitzubekommen. Sie hatte noch immer keine Sicht auf die Personen. „Wir müssen zum Fluss, die Tempeldienerinnen sind uns bestimmt schon auf den Fersen!“, flüsterte einer „Das weiß ich selber! Aber ich finde ihn nicht!“, zischte ein zweiter zurück. „Bleibt ruhig, es nützt nichts jetzt zu streiten, wir haben das was wir wollten und wir werden den Fluss auch noch finden.“, beruhigte der dritte die anderen. Danach gingen sie wieder weiter.
Seraia war beruhigt, es waren nur drei, im schlimmsten Fall, hätte sie mit einer Trupp Nachtelfen oder Golonen gerechnet. Anscheinend waren es Menschen, denn wenn es Elfen gewesen wären, hätten sie die Lage des Flusses nicht vergessen! Die Wächterin wusste auch, wo der Fluss lag und wusste auch, das diese Trottel genau in die falsche Richtung liefen. Jetzt oder nie, dachte sie und beschleunigte ihren Lauf. Seraia würde sie in weitem Bogen überholen und sich ihnen dann in den Weg stellen. Das würde die Männer noch mehr verwirren!
Mit klopfendem Herzen kniete sich die schwarzhaarige Frau hinter einen Busch, sie hörte die Männer schon, wie ihre Füße durch das Laub schlurften. Die Diebe flüsterten nun wieder miteinander. Doch Seraia konzentrierte sich auf die Waffe in ihrer Hand. Den Zweihänder hatte sie von ihrer Mutter bekommen, als sie sich entschloss im Tempel zu dienen. Er war verziert mit Edelsteinen und der Griff war mit Feinstem Leder gegürtet worden. Sie hatte damit schon einige Lebewesen getötet. Es war ihr nicht Fremd und es war ihre Bestimmung.
Die Männer waren nur noch wenige Schritte von ihr, jetzt konnte sie diese erkennen, groß, schlank, mit leichter Lederrüstung und langen Haaren.
Seraia durfte jetzt nicht mehr zögern, also spannte sie ihre Beinmuskeln vollständig und sprang hinter dem Busch hervor „Stehen bleiben!“, rief sie und richtete ihr Schwert auf die Männer, die verschreckt da standen und zu ihren Waffen griffen. „Tut das lieber nicht! Gebt mir das Heilige Schwert und ich lasse euch unversehrt!“, hieß die Wächterin ihnen. „Das ist eine aus dem Tempel, ich habe doch gesagt sie sind uns auf den Fersen!“ flüsterte der Rothaarige Mann, seinen Kumpanen zu. „Ich bin nicht nur irgendeine aus dem Tempel, ich bin die Wächterin des Heiligen Schwertes!“ Langsam wurde Seraia wütend, wie konnte das überhaupt nur geschehen und was hatten diese lausigen Diebe mit dem Heiligtum vor?
Da passierte es schon, der dritte Mann zog sein Schwert und schnellte vor, Seraia wich ohne Probleme aus und parierte den Schlag. Die andern beiden taten es ihrem Gefährten gleich und versuchten sie zu treffen. Die Wächterin wich wieder geschickt aus, schlug mit ihrem Schwert mindestens so hart zu, wie die Männer. Dann traf sie den Rothaarigen tödlich am Bauch, der sich nach einem Schrei auf dem Boden wälzte und sich den aufgeschlitzten Bauch hielt, damit ihm die Gedärme nicht hinaus fielen. Der Blonde von den beiden übriggebliebenen, sah eine Sekunde erschreckt auf den Mann am Boden, Seraia nützte die Gelegenheit und trieb den Erstangreifer mit einem Hieb zurück und schlug dem Blonden die rechte Hand ab, in der er sein Schwert hielt und trat ihn in den Bauch, das er rückwärts fiel. Mit Schmerzverzerrtem Gesicht hielt sich dieser nun den Stumpf aus dem kaum Blut quoll an die Brust und versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Weg von ihr. Der Erstangreifer kam rasch wieder auf sie zu und schlug wütend auf sie ein. Der Rothaarige rührte sich kaum mehr und lag da, wie ein Fötus zusammengekrümmt in einer Lache voll Blut. „Ihr hättet mir gleich das Heiligtum geben sollen!“, brauste Seraia und wehrte geschickt die Schläge ab. Sie tänzelte leichtfüßig auf dem Laubboden, jeder Tritt war sicher in der Dunkelheit. Der Mann ihr gegenüber hatte schwarzes, leicht gelocktes Haar, das sein wütendes Gesicht umrahmte. Er war ein guter Kämpfer. „Gut, ich gebe euch das Schwert und ihr lasst mich gehen.“ Schrie der Mann. „Wieso sollte ich? Habt ihr auf einmal Angst um Euer Leben?“, lachte die Priesterin „Ich bekomme sowieso, das was ich will!“ rief sie grimmig und wehrte die Schwertschläge ab. Auf einmal nahm sie hinter sich ein Rascheln war. Seraia warf sich noch herum, aber es war zu spät, ein heißer Schmerz fuhr in ihre Schulter. Sie sah noch den Angreifer, der auf sie eine Armbrust gerichtet hatte. Es war ein Nachtelf. Seraia fasste ganz automatisch an die schmerzende Stelle wurde von der Berührung der Wunde und dem plötzlichen Schmerz auf die Knie gezwungen. Sie stöhnte leise und versuchte den Pfeil zu ziehen, so konnte sie nicht weiterkämpfen, der Pfeil steckte so, das sie ihren linken Arm nicht mehr bewegen konnte, aber sie brauchte beide Arme für ihr Schwert! Ihr Schwert, wo war es, sie hatte es fallen gelassen, wie töricht von ihr!
„Du solltest besser die Finger davon lassen, Wächterin, sonst wirst du noch verblutet sein, bevor du deinen Tempel erreicht hast.“ Es war der Nachtelf, der das Wort an sie gerichtet hatte. „Was spielt das schon für eine Rolle? Ich werde das Schwert nicht haben, mich erwartet im Tempel auch nur der Tod!“ ,schrie Seraia den Nachtelf zornig zu. „Endlich bist du da, Fangior. Sie hat Terek umgebracht und Héndil schwer verletzt!“, keuchte der Schwarzhaarige.
„Sie tut nur das, was sie tun muss, Aster, ihr Heiligtum beschützen. Ihr könnt froh sein, das es nur eine Wächterin gibt“ ,meinte der Nachtelf und begutachtete das Schwert von Seraia.
Aster steckte sein Schwert weg und ging zu Héndil um ihn zu verarzten, der Nachtelf kniete sich zu der jungen Frau hinunter „Du bist wirklich eine gute Kämpferin und du bist stark. Was bist du? Eine Nachtmarl?“ lächelte der Elf. „Ja das bin ich!“, bedeutete Seraia und funkelte den Elf wütend an. Fangior wandte kurz seinen Blick ab, als müsse er darüber nachdenken, doch dann meinte er ruhig zu der Wächterin: „Wir brauchen das Schwert, wir wollten keinen, verletzen, in Gefahr bringen oder gar töten.“ und schaute betrübt zu dem Toten auf dem feuchten Laubboden und zu dem Jungen Mann, dem der Stumpf verbunden wurde. „Wieso braucht ihr das Schwert, es geht euch nichts an! Es ist..!“ Der Nachtelf gab Seraia mit einer Handgeste zu verstehen, das sie still sein sollte. „Es geht uns sowohl was an, ich bin Fangior, Prinz von Mondwald und meine Vorfahren ließen dieses Heilige Schwert schmieden, das es in des Königs Händen Frieden über Mondwald bringe! Das tat es auch, es hat die Finsterelfen und die Golonen mit dem heiligen Licht und der Heiligen Klinge vertrieben! 500 Jahre Krieg und Leiden setzte es ein Ende. Danach wurde es in die Hände einer Nachtelfenfrau gegeben, damit es kein neues Leid in Mondland auslöst und diese Frau hat auch den Kult erschaffen.“ „Sinana!“, flüsterte die Tempeldienerin. „Ganz richtig, Sinana war es, vor 2000 Jahren und jetzt bin ich gekommen um das Heilige Schwert zu holen, da Mondwald wieder dem Untergang geweiht ist. Schon 50 Jahre lang herrscht wieder Krieg. Mein Vater wollte das Schwert nicht holen, er hatte angst vor seiner Macht und nun ist er bei einem Feldzug schwer verletzt worden und bat mich, das Schwert zu holen und es gegen unsere Feine zu richten.“ Der Nachtelf sah sie, schmerzerfüllt an, er wüsste, das sein Vater bald sterben würde, wenn er nicht schon tot war. Seraias schmerz in der Schulter schien etwas zu vergehen, „Aber wieso habt ihr dann nicht die Hohepriesterin darum gebeten und woher soll ich wissen ob ihr auch die Wahrheit sprecht?“ meinte sie. Der Elf lächelte sie mit seinen grauen Augen traurig an, „Das habe ich doch getan, hat man es dir nicht erzählt? Ich habe Briefe geschrieben, ich bin vor die Hohepriesterin getreten, aber sie wollte es mir nicht geben. Ich habe ihr gesagt, das ich das Heilige Schwert sofort zurückbringen werde, wenn es nicht mehr gebraucht würde, aber das war ihr alles egal.“, meinte der Nachtelf und zeigte Seraia ein Medaillon mit königlichem Siegel. „Und deswegen hast du es stehlen lassen, nicht wahr? Und ich habe das alles nicht gewusst. Ich wusste, das unser Schwert das Werk von Nachtelfen war und das damit eine Jahrhunderte lange Schlacht gewonnen wurde, aber das es in Mondwald war, wusste ich nicht. Es hieß nur immer, das es nicht in falsche Hände fallen dürfe und das ich es mit meinem Leben beschützen müsse!“ Die Priesterin, dachte darüber nach und Fangior riss sie aus ihren Gedanken, „Ja, ich weiß, du hast richtig gehandelt, dich trifft keine schuld, aber ohne das Schwert werde ich nicht gehen.“ Fangior sah die junge Frau entschlossen an. „Ich weiss“, meinte sie und senkte den Kopf. Was würde man jetzt mit ihr machen? Kein Schwert und sie wüsste, von dem Prinzen und von Mondwald. So hätte man sie vielleicht nur hart bestraft, aber nun würde man sie dafür töten, damit niemand was davon erfuhr. Was sollte sie nur tun? Den Pfeil heraus ziehen und hoffen das sie rasch verblutete? Sollte sie Fangior darum bitten, sie zu töten oder sollte sie wie eine Wächterin sterben und noch mal angreifen? Sie wusste es nicht. Seraia wusste nur, das man sie bestimmt ausfragen, als Versagerin hinstellen würde und das vielleicht sogar Folter auf sie in ihrem geliebten Tempel warten würde. Gottseidank war ihre Mutter schon gestorben, die Schande hätte sie nicht über die Familie bringen können! Sie verstand nicht,wieso die Hohepriesterin nicht das Schwert herausgegeben hat, wenn es doch die einzige Hoffnung für die Mondwäldler zu sein schien. Wenn jemand von so weit herkam um das Schwert zu holen, dann muss es doch stimmen! Wie verzweifelt müsse man sein um so eine gefährliche und weite Reise auf sich zu nehmen? Seraia sah zu dem jungen Mann, der von dem anderen geschickt verarztet wurde. Dieser Aster, war ein richtiger Krieger, der geschult darin war, Wunden zu versorgen, Héndil war das nicht, es war viel zu leicht ihn zu überwältigen. Sie war wieder in Gedanken versunken, als Fangior etwas zu ihr sagte, Seraia nahm das gar nicht richtig wahr. „Nein Fangior! Das ist ja Wahnsinn!“, schrie Aster. Das schreckte die Priesterin aus ihren Gedanken, „Was?“ meinte, sie und sah verwirrt zu dem Elfen, der immer noch neben ihr kniete. „Willst du mitkommen?“, wiederholte der Nachtelf und lächelte sie dabei an, dann wandte er sich an den Schwarzhaarigen Krieger: „Wieso soll das Wahnsinn sein, Aster? Man hat sie überhaupt nicht über mich informiert, selbst wenn sie das Schwert uns wieder abnehmen könnte, würde sie wissen, was in Mondwald passiert und das es untergehen wird. Das würde ihr Gewissen aber nicht zulassen, ist es nicht so Seraia?“ und sah sie wieder liebevoll an. „Woher weißt du meinen Namen?“ meinte die Wächterin erschrocken? Fangior lachte, „Das war nicht schwer herauszubekommen, ich habe einige Tempeldienerinnen nach der Wächterin des Schwertes gefragt. Ich weiß, das du ein gutes Herz hast, auch wenn du eine Kriegerin bist und geschickt töten kannst, so trifft dein Schwert immer nur die Schuldigen.“ „Aber dieser Mann war unschuldig, das habt ihr selbst gesagt, Fangior“ Sie zeigte auf den toten Mann, den sie den Bauch aufgeschlitzt hatte. „Ihr habt von dieser Sache nichts gewusst und dachtet, es wären ganz gemeine Diebe gewesen! Euch trifft keine Schuld! Sie trifft mich! Ich hätte mit euch reden müssen! Aber ich dachte, ihr steckt mit der Hohepriesterin unter einer Decke!“ meinte der Nachtelf traurig. „Ich hätte zumindest einmal mit euch reden müssen.“ Er schwieg und zog sich zurück. Aster half dem Mann auf die Beine, „Wir müssen jetzt gehen, vielleicht sind schon weitere Priesterinnen unterwegs!“ sagte er zu Fangior. „Ich komme mit!“, meinte Seraia und versuchte auf die Beine zu kommen. Fangior half ihr hoch. „Wieso soll ich weiter diesem Tempel dienen, der so viele Leute auf dem Gewissen hat und haben wird! Wo die Hohepriesterin einfach zusehen kann und nicht helfen will? „Ich will euch helfen Fangior, ich habe hier keine Zukunft mehr.“, sagte die junge Frau und machte sich mit den 2 Männern und dem Nachtelfen auf dem weg zum Fluss.
-Ende-
sachi - 1. Jan, 18:49